Emotion und emotionales Repertoire (English version; Teil 2 von Improve your presentation gibt’s hier.)
Wenn Sie vor einer Gruppe sprechen, freuen Sie sich sicher, wenn Sie die positive Reaktion Ihrer Zuhörer an deren Gesichtern ablesen können, wie hier bei den vier Zwergen. Oft blickt man aber eher in ausdruckslose oder ernste Mienen – was daran liegt, dass Menschen, die konzentriert zuhören, nicht unbedingt aktiv lächeln oder ihre Mimik bewusst einsetzen.
Viel interessanter ist überhaupt, was Sie tun können, um Ihre Präsentation emotionaler vorzutragen. In der intensiven Vorbereitung setzt man sich viel zu selten mit seinen Gefühlen in bezug auf die Inhalte auseinander: Welche Aussage brennt mir auf der Seele? Was finde ich an meiner Botschaft wirklich wichtig und wo stehe ich voll dahinter? Welche Aspekte haben mich schon immer aufgeregt?
Um zu einer emotionaleren Vortragsweise zu kommen, machen Sie einen Probedurchlauf (auch ohne Publikum), sobald Sie eine grobe inhaltliche Struktur angelegt haben. Und dann beginnen Sie mit der eigentlichen Übung: Schreiben Sie sich 10 (oder mehr) Karten (oder Zettel), auf die Sie jeweils eine starke Emotion notieren, z.B. Haß, Liebe, Verunsicherung usw. Noch spannender ist es, wenn Sie jemand anderen bitten, dies zu tun. Die Karten werden einmal gefaltet und gemischt. Nun beginnen Sie damit, Ihre Inhalte frei zu formulieren. Nach einiger Zeit (ca. 1 Minute) nehmen Sie die erste Karte und sprechen in der dort genannten Emotion weiter. Sobald Sie möchten, nehmen Sie die nächste Karte und sprechen in der neuen Emotion weiter.
Wenn Sie sich emotional richtig ‘ins Zeug legen’, werden Ihnen zwei Dinge auffallen: 1.) Sie schweifen vom Thema ab und 2.) Sie merken sehr deutlich, ob die eingenommene Emotion Ihre Haltung zum Thema trifft oder völlig unpassend ist. — Punkt 1.) Das Abschweifen ist bereichernd. Sie betrachten Ihr Thema durch die (ggf. übertriebene) Emotionalität in einem neuen Licht. Deshalb ergeben sich möglicherweise neue Aspekte, die Sie bisher noch gar nicht bedacht haben. Im Grunde sind die Emotionskarten eine Variante der Denkhüte/Six-Thinking Hats von Edward de Bono, also eine Kreativitätstechnik. Und es kann sein, dass Sie die Gliederung Ihrer Präsentation noch einmal überdenken. Punkt 2.) zeigt Ihnen deutlich, wo sie für Ihr Thema brennen und wo nicht – der Vortrag mit den “Emo-Karten” bringt dabei Selbsterkenntnisse, mit denen man oft gar nicht rechnet. Und genau dort können Sie ansetzen, und am Tag der Begegnung mit den Zuhörern Ihrer Begeisterung – bzw. je nach Situation auch Ihrer Betroffenheit oder Verärgerung – nicht nur durch klare Worte sondern auch durch Mimik und Stimme eindeutig Ausdruck verleihen. Ihr emotionales Spektrum als Redner wird sich so langsam erweitern. Mal sehen, wie lange die Zuhörer dann noch mit unbewegter Miene dasitzen können.
Dies ist eines von vielen Beispielen dafür, wie reichweite arbeitet. Der Post ist Andreas Kirsche, Agentur für Helden, gewidmet.