Storytelling für PR in der PR-Arbeit im Marketing mit Kerstin Hoffmann

Kerstin Hoffmann über Storytelling 2013

In diesem Interview sagt “PR-Doktor” Kerstin Hoffmann, dass Botschaften gute Geschichten brauchen und diese eine gut entwickelte Dramaturgie. Sie meint: Eine Alltagsgeschichte in wenigen Worten kann dem  Zuhörer mehr Raum für Identifikation bieten und mehr Resonanz erzeugen als aufgebauschte Allegorien und Metaphern.

Wie definierst Du im Jahr 2013 den Begriff Storytelling?

… so wie in allen Jahren davor, seit ich mich zum ersten Mal im Studium und im Beruf mit Texten und Textwirkungen befasst habe. Ich habe irgendwann mal eine kleine Geschichte zu meiner Erfahrung mit dem Storytelling geschrieben, die so begann:

“‘Ein guter Zeitungsartikel erzählt immer eine Geschichte‘, betonte mit Nachdruck mein Feuilletonchef, der mir vor rund zwanzig Jahren noch während meines Studiums das journalistische Schreiben beibrachte. ‚Gute Literatur erzählt immer eine Geschichte‘, rief vom Podium des Vorlesungssaals mein Doktorvater, der mir das wissenschaftliche Schreiben ebenso wie das Prinzip des literarischen Erzählens beigebracht hatte. … “

Das Gleiche gilt natürlich für jede andere Form auch. Für Werbung und PR. Für jede Art von Kommunikation. Also auch für Botschaften im Social Web. Mit wenigen Worten, mit einer Überschrift, mit einer Bildunterschrift eine ganze Bildwelt zu beschwören: Das geht nur, wenn man die richtigen Schlüsselbegriffe findet, anhand derer der Leser (oder, bei mündlichen oder filmischen Formen, der Zuhörer oder Zuschauer) das restliche Universum sozusagen dazudenkt. Und dazufühlt! Eine gute Geschichte kann man in drei Sätzen, auf drei Seiten oder in drei Bänden erzeugen. Man kann sie in Bildern erzählen oder mit einem Video. Die kurze Form ist schwierig. Aber ebenso schwierig ist es natürlich, auf längeren Strecken einen Spannungsbogen aufzubauen und zu halten.

Was mir gar nicht gefällt, ist diese Disziplin des Storytelling, die in weitschweifigen allegorischen oder metaphergeladenen Geschichten etwas ganz anderes verdeutlichen will. Wenn etwa die fünf Unternehmensberater zu fünf wundertätigen Zauberern werden, dann finde ich das eher nervig und denke: ‚Wer hat denn Zeit, das alles zu lesen? Das hätte man auch mit weniger Wörtern und konkreter auf den Punkt bringen können!‘

Storytelling ist für mich also eher eine Einstellung, eine Frage des „Wie“ als des „Was“.

 Wo und wie setzt Du es beruflich ein?

Ich versuche, eine Dramaturgie zu entwickeln, die den Leser aufmerksam hält und ihn leitet. Das mache ich in eigenen Blogbeiträgen genauso wie in Texten oder Skripten, die ich für Kunden schreibe. Je nachdem, worum es geht und welche Form das ist, fällt der erzählerische Gehalt natürlich sehr unterschiedlich aus.

Wenn ich Vorträge halte, dann steige ich oft mit einem Erlebnis ein, das ich vielleicht gerade im Zug hatte. Häufig illustriere ich in der Beratung Allgemeines anhand von konkreten Situationen, die mir selbst begegnet sind, in der Arbeit oder im Alltag.

Auf Facebook erzähle ich schon mal gerne Kürzestgeschichten, die etwa lustige eigene Erlebnisse beschreiben. Das mache ich einfach aus reinem Spaß. Irgendwo muss ich das loswerden, was mir so einfällt. Früher habe ich das in der Zeitung in Glossen verarbeitet oder in Kladden notiert, heute schreibe ich es in soziale Netzwerke. Das hat natürlich im weitesten Sinne auch einen beruflichen Aspekt: Mein Netzwerk erfährt etwas von mir, es entwickeln sich Gespräche, es entsteht Austausch. Oft schildere ich kleine Missgeschicke, und der Leser denkt sich den Rest dazu, weil er schon Ähnliches erlebt hat, etwa wie hier:

 „Kennt ihr dieses typische “Pffffluppp-klick-klick-klick-klick”-Geräusch, mit dem etwas von unter dem Schreibtisch im Staubsauger verschwindet, das man nicht gesehen hatte, worauf man sich dann noch lange fragt, ob es wohl etwas Wichtiges und/oder Wertvolles war?“

Das sind nun alles andere als literarische Meisterwerke, sie sind für den Moment geschrieben. Aber sie erzeugen wirklich erstaunlich viel Resonanz, also Likes und Kommentare. Wenn ich länger keine solchen Geschichten schreibe, bekomme ich inzwischen regelrechte Beschwerden, dass es in meinem Profil nicht unterhaltsam genug zugehe. ;)

Wie viel am Buzzword Storytelling ist Hype – was ist aus Deiner Sicht der wesentliche Nutzen?

Ich denke, man müsste sich erstmal einigen, was überhaupt genau gemeint ist. Der Begriff wird in so vielen unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Der eine versteht unter „crossmedialem Storytelling“ ganze Contentstränge oder sogar Contentstrategien, die sich über verschiedene Kanäle entfalten. Andere denken, es gehe darum – wie oben beschrieben – statt klare Sachverhalte zu schildern, irgendwelche weitschweifigen Märchen zu erzählen.

Dabei funktioniert Erzählen, funktioniert die Entwicklung einer Dramaturgie eben nur dann, wenn es gelingt, Spannung aufzubauen und den Empfänger zu interessieren oder sogar zu fesseln. Das kann ich auch, sagen wir mal, in einem Produktfilm über Rohrisolierungen unter extremen klimatischen Bedingungen, ohne dabei auch nur einmal allegorisch zu werden und in Metaphern zu verfallen. Vorausgesetzt eben, ich beherrsche die Techniken.

Von wem hast Du Storytelling gelernt?

Von meinen eingangs genannten Lehrern. Dann von allen Autoren aller gut erzählten Bücher, die ich jemals gelesen habe. Aber eben auch in der praktischen Erprobung am Publikum. Ich schaue und höre genau zu, wie andere es machen. Daraus lerne ich. Wenn ich darüber nachdenke, war auch meine Mutter nicht nur eine begeisterte Vorleserin, sondern auch eine wunderbare Geschichtenerfinderin und eine Meisterin im Pointen-Setzen. Sie ist also mein frühestes Vorbild.

Lesen und Schreiben, Zuhören und Erzählen: Das sind  vielleicht die vier Tätigkeiten, die mein Leben am meisten prägen. Insofern übe ich seit rund vierzig Jahren.

Gibt es einen Storytelling-Ansatz oder eine -Methode, dem/der Du folgst?

Ich fürchte, wenn es um die „reine Lehre“ geht, kann ich mit nichts aufwarten. Ich habe dazu ein oder zwei Bücher gelesen, aber die haben mich nicht richtig überzeugt. Die waren auch mehr aus der Märchen- und Allegorie-Ecke. Meine Methode ist eher eine pragmatisch-iterative, vom täglichen Erleben geprägte. Eine, die aus dem Ausprobieren und Üben resultiert, aus der Erfahrung heraus, was funktioniert – und was nicht.

Was ist aus Deiner Sicht ein Beispiel für gelungenes Storytelling der heutigen Zeit?

Ich kenne viele Leute, die ganz wunderbar erzählen können. Eines meiner großen Vorbilder ist die Journalistin und Publizistin Kathrin Passig, die sowohl die lange (Buch-) Form beherrscht, als auch zum reinen Vergnügen komplexe Dinge mit wirklich ganz wenigen Wörtern auf den Punkt bringt, so wie in diesem Tweet:

#wasfehlt “Autoren, die dieses Buch geschrieben haben, hätten auch gern die folgenden Bücher geschrieben”.

 

Gibt es eine ‘neue Kultur’ oder eine Renaissance des Geschichtenerzählens? Und wenn ja: Woran machst Du die fest?

Ja, die hat schon in den 1980-ern begonnen. Über diese Renaissance des Erzählens und des Erzählers habe ich meine Staatsexamensarbeit geschrieben. Aber das würde jetzt wirklich zu weit führen.

Welchen Tipp möchtest Du den Geschichtenerzählern von heute mitgeben?

Überlegt euch, was ihr herüberbringen wollt und was euer primäres Erzählziel ist. Was bringt die Geschichte dem Empfänger? Was braucht er, um die Geschichte zu verstehen? Was soll der Empfänger denken, fühlen, danach tun? – Und dann kommt auf den Punkt!

Auf Twitter folge ich ihr seit langem. Ihr PR-Doktor-Blog lese ich mit Interesse. Und auf der Republica 2012 traf ich Kerstin Hoffmann endlich persönlich – was dazu führte, dass wir die erste Session nach dem Mittagessen verpassten. Auch ich lese ihre Kürzestgeschichten auf Facebook gerne, weil ich dann merke: Ich bin nicht allein (mit solchen Erlebnissen). Vielen Dank, Kerstin, dass Du zum Thema Storytelling in neuen Kontexten beiträgst – und für die wertvollen Tipps zu dieser Aktion in meinem Blog.

Kerstin Hoffmann – Kommunikationsberaterin

Kerstin erreicht Ihr über FacebookTwitterXING und ihr Blog.

Dr. Kerstin Hoffmann ist Fachfrau für PR und Onlinemarketing, berät Sie in Fragen von Kommunikations- und Social-Media-Strategien.

Dr. Kerstin Hoffmann berät und unterstützt Unternehmen sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Kommunikations- und Social-Media-Strategien, Public Relations, Online-Marketing und Text. Sie gibt Workshops, hält Vorträge und schreibt Bücher. In ihrem Blog “PR-Doktor“schreibt sie über aktuelle Themen und Erfahrungen aus ihren Fachgebieten. 2012 erschien ihr Buch “Prinzip kostenlos“.

Are we all storytellers? Storytelling in neuen Kontexten.

Vom 28. März bis zum 5. Mai 2013  gibt es eine Blogparade zu diesem Thema hier im Blog.

Zur Blogparade

Das erste Interview – mit Daniel Backhaus – gibt es hier zu lesen.
Das dritte Interview – mit Karl Kratz – gibt es hier zu lesen.

 

Caroline Kliemt – die reichweite

Aus welchem Grund interessierst Du Dich für Storytelling?

reichweite Caroline Kliemt fotografiert von Andreas Levers

In meinem Studium habe ich mich u.a mit Romanen und Dramen der englischen Literatur befasst – Geschichten, die nicht umsonst Klassiker sind.

Heute befähige ich Euch, Eure Kunden – d.h. Eure Zuhörer oder Leser – zum Helden einer Geschichte zu machen. In Präsentationen bedeutet das: Ihr erzählt den Zuhörern, was sie nach dem Vortrag wissen/tun/können werden. Ihr bringt sie “gegen alle Widrigkeiten” als ihr Mentor dorthin, in das Land der (dank Eures Produkts, Konzepts, Budgets, Wissens….) tausend Möglichkeiten.

Außerdem unterstütze ich Euch dabei, Geschichten und Wissen für Kunden in PR und Social Media zu konzipieren, zu gestalten und zu verbreiten.

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Comments

  1. Sehr schönes Interview. Ich mag den von Kerstin beschriebenen pragmatischen Ansatz sehr. Und mit ihren kleinen Alltagsmissgeschicken entzückt sie mich sehr und macht sich selbst sehr “erreichbar”.

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