König Kunde oder wie Du in den Wald hineinrufst, so schallt es hinaus.

König Kunde!?

Adel sitzt im Gemüte, nicht im Geblüte

These: Wer sich als König Kunde in seiner Rolle als Feudalherr, absolutistischer König oder gar Tyrann gefällt, darf sich nicht wundern, wenn die untertänigen Verkäufer zu den Beduinen der Servicewüste Deutschland werden.

Volker Remy schreibt in seiner einzigartigen Anleitung “Wie man Aufträge angelt und mit Fischen spricht” (Graco Verlag: Berlin 2007), das Konfrontationsmuster Verkäufer-Käufer stamme aus dem industriellen Zeitalter und gehöre deshalb der Vergangenheit an (S. 13). Es gehe beim Verkauf nicht mehr darum, etwas loszuwerden, sondern darum, etwas hinzuzugewinnen. Genau! Und das auch aus Sicht des Fisches bzw. des Kunden! Das bedeutet, die Verantwortung für ein gelungenes Verkaufsgespräch könnte man durchaus auch beim Kunden sehen. Meine Erfahrung zeigt, dass man im spielerischen Rollentausch (ich als Kunde führe ein perfektes Verkaufsgespräch mit dem Verkäufer) herausfindet, mit welchen Strategien man Menschen für sich und seine Sache gewinnen kann. Und daraus potenziert sich ein beiderseitiger Nutzen: Der Verkäufer fühlt sich wertgeschätzt, findet mich sympathisch, berät mich besser als andere Kunden, ich bin zufriedener mit dem, was ich einkaufe. Und nicht zuletzt falle ich positiv aus der Rolle und man erinnert sich an mich.

In der Vorbereitung dieses Spiels frage ich mich: Welche Form der Regentschaft wähle ich als König Kunde? Ein despotisches und herrisches Verhalten generiert bei den Untertanen weder Sympathie noch Vertrauen. Unterwürfige Gesinnung oder ergebenen Gehorsam dürfen wir von im Kant’schen Sinne aufgeklärten Verkäufern auch gar nicht mehr erwarten. Meine persönliche Strategie ist die huldvolle, volksnahe Monarchin. Huldvoll dabei nicht im Sinne einer herablassenden oder gnädigen Bevorzugung sondern im eigentlichen Wortsinn von Huld: Wohlwollen und Freundlichkeit. Das ist die Haltung, mit der ich als Kunde das Geschäft betrete oder einen Dienstleister beauftrage. Natürlich treffe auch ich – je nach Jahreszeit (Advent!) oder Betriebsklima – auf jene Art von Verkäufer, die kurz davor sind, die Meute zusammenzutrommeln und den Adel, sprich die Kunden, an die Guillotine zu führen. Aber gerade in schwierigen Ausnahmesituation ist mein staatsmännisches Können als Souverän gefordert: regieren und herrschen – was nichts anderes heißt als zu lenken und zu leiten, nämlich ein gelungenes Gespräch. Dazu ein Beispiel.

Im Jahr 2001 bestieg ich an einem Freitagabend mit drei Kollegen einen ICE von Köln nach Stuttgart. Wir ließen uns im Speisewagen nieder – damals noch Mitropa. Die mürrische Bedienung hatte nicht mit unserer fürstlichen Runde gerechnet. Wir waren durch eine eintägige Fortbildung über positiv lenkende Fragetechnik geadelt worden. Also sprachen wir Sie mit Namen an, wir erfuhren durch unsere Fragen, dass sie gerade erst ihren Dienst angetreten hatte und wie lange der dauern würde, was Sie uns persönlich zum Essen empfehlen würde… Mit unserer unverblümt offensiv charmanten Art des Interesses an ihr und ihrer Meinung wurde es für beide Seiten ein erinnerbares positives Ereignis. Die anderen drei mögen das sportlich gesehen haben, für mich war es ein Aha-Erlebnis. Gerade, weil ich sonst die Untertanen berate und nicht die Herrscher.

Alle Dienstleister, die Namensschilder tragen, spreche ich mit ihrem Namen an. Ich stelle Verkäufern stets die Art von Fragen, die sie mir stellen sollten. Meine große Leidenschaft, das Fotografieren, lässt mich in dieser Hinsicht zu Hochform auflaufen: “Wie gefällt es Ihnen, dass ich meine Filme immer zu Ihnen zum Entwickeln bringe? Was gewinnen Sie dadurch und welchen Rabatt ist Ihnen das wert?” (Ja, ich fotografiere noch analog, lasse mir die entwickelten Filme als Scans auf CD brennen. Ein teures Unterfangen, aber neuerdings erhalte ich in besagtem Geschäft sieben Aufträge zum Preis von sechs. 14% Treuebonus!)

Nur in wenigen Fällen entsteht mir ein finanzieller Vorteil. Der wichtigste Gewinn für mich ist, dass ich Einzelhandel und Dienstleistungssektor mittlerweile als eine blühende Landschaft empfinde, keineswegs mehr als Servicewüste. In den letzten drei Jahren habe ich noch höchstens in 1 von 10 Fällen den Eindruck, mein Gegenüber sei unsympathisch, inkompetent oder unwillig. Wenn ich nur nett wäre, würde ich sicher übervorteilt. Aber das passiert nicht. Außerdem bin ich als Adel mit Vorrechten ausgestattet, kann mich gegen einen Kauf entscheiden, d.h. regieren im Sinne von richten. Aber das tue ich selten. Und neben den positiven Erlebnissen gewinne ich Souveränität, d.h. ich bin meiner besonderen Aufgabe als König Kunde gewachsen. Wenn noch mehr Kunden dieses Spiel aufgreifen, werden wir bald als Oligarchie um die Gunst der Verkäufer buhlen.

One Comment

  1. Liebe Caroline,

    du schilderst hier ein wunderbares Bild wie “Verkaufsbegegnung” erfolgen kann.
    Dies trifft auch meine Erfahrungen in 98% aller Fälle.
    Wobei das Volk im Auge behalten sollte, dass die Huld des Königs eine endliche Einheit ist. Und da gibt es dann den Souverän, der das Land ( die Wüste ) “leise” verlässt um sich ein neues Volk zu suchen. Und das Volk wundert sich.

    Und es gibt ab und an den Souverän, der beim Verlassen des Landes nochmal eine “Ansprache” hält.

    Und noch seltener kommt es vor, dass bei dieser “Ansprache” das Volk mit der Guillotine und dem offenen Aufstand droht. Was dem König egal sein könnte, da er sowieso auf der Abreise ist. Aber wenn dann mal der Mob mit blitzenden Klingen vor dem Podest steht darf er sich auch nicht wundern, wenn dies manchmal nicht ohne Reaktion bleibt …

    Ich sag da nur … grünes Wettkampfmotiv, d.h. der Antrieb kämpferisch überwiegt … ( http://www.motivberater.de ) ;)

    p.s.
    Schönes Blog … weiter so !

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